Im Rentenversicherungsrecht in Deutschland gibt es nicht nur unterschiedliche Regelungen zum Hinzuverdienst, sondern auch verschiedene Vorschriften in Bezug auf Anrechnungen, Kürzungen oder Nichtleistungen. So gilt beim Zusammentreffen einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine entsprechende Vorschrift.
Wenn aufgrund eines Arbeitsunfalls, eines Wegeunfalls oder einer Berufskrankheit eine Rente der gesetzlichen Unfallversicherung (= Unfallrente / Verletztenrente, Berufskrankheitsrente) gezahlt wird und gleichzeitig auch Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung besteht, dann erfolgt unter Beachtung des jeweiligen Grenzbetrages eine Anrechnung der Versichertenrente, die um einen vom Grad der Erwerbsminderung abhängigen "Freibetrag" verringert wird, auf die Erwerbsminderungsrente. Die Regelungen zur Anrechnung sind in § 93 SGB VI festgehalten. Sie gelten sowohl für den Bezug einer Vollerwerbsminderungsrente als auch für die Teilerwerbsminderungsrente. Weiter unten gibt es ein Berechnungsbeispiel.
Hinweis: Die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gilt bei der Erwerbsminderungsrente nicht als Hinzuverdienst in Sachen von § 96a SGB 6.
Anrechnung der Versichertenrente der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung
Entsprechend den Anrechnungsvorschriften wird die Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt, wenn die Versichertenrente der gesetzlichen Unfallversicherung und die Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung zusammen mehr als 70 % eines Zwölftels des Jahresarbeitsverdienstes, vervielfältigt mit dem jeweiligen Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung, betragen. Demnach darf die Summe beider Renten zusammen diesen Grenzbetrag nicht überschreiten, ansonsten wird die Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung um den Differenzbetrag gekürzt. Als Mindestgrenzbetrag wird dabei die Monatsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angesetzt.
Keine Anrechnung in bestimmten Fällen
Entscheidend für eine Anrechnung ist der Zeitpunkt des Versicherungsfalls, für den eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gezahlt wird. Wird die Versichertenrente der gesetzlichen Unfallversicherung für einen Versicherungsfall gezahlt, der sich nach dem Rentenbeginn der Erwerbsminderungsrente ereignet hat, wird sie nicht angerechnet. Als Zeitpunkt des Versicherungsfalls gilt hierbei bei Berufskrankheiten der letzte Tag, an dem der Versicherte eine versicherte Tätigkeit verrichtet hat. Bei Arbeits- und Wegeunfällen ist es der Tag, an dem sich der Unfall ereignet hat.
Des Weiteren findet keine Anrechnung der Versichertenrente der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Erwerbsminderungsrente statt, wenn die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ausschließlich nach dem Arbeitseinkommen des Unternehmers oder seines Ehegatten oder Lebenspartners oder nach einem festen Betrag, der für den Unternehmer oder seinen Ehegatten oder Lebenspartner bestimmt ist, berechnet wird.
Berechnungsbeispiel
An folgendem Beispiel wird die Anrechnung der Versichertenrente der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich:
Der Jahresarbeitsverdienst, der dem Arbeitsunfall zugrunde liegt, beträgt angenommen 30.000 EUR (monatlich 2.500 EUR). Entsprechend den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung liegt die monatliche Verletztrente bei einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 90 % bei 1.500 EUR (JAV 2/3 MdE / 12 also ( 30.000 2/3 ) 90 % / 12). Bei der Frage, was als Verletztenrente anzurechnen ist, bleibt ein Betrag außer Ansatz, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz zu leisten wäre (bei Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % zwei Drittel der Mindestgrundrente, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 % ein Drittel der Mindestgrundrente). Hierdurch wird ein Ausgleich für den immateriellen Schaden gewährt. Die monatliche Grundrente bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 90 % beträgt derzeit 657 Euro. Es erfolgt somit eine Herunterrechnung der 1.500 EUR monatlichen Verletztenrente um 657 EUR auf 843 EUR.
Hinweis: Bei Personen, die einen knappschaftlichen Rentenanteil in der gesetzlichen Rente bekommen oder bestimmte Lungenerkrankungen (Berufskrankheit nach den Nummern 4101, 4102 oder 4111 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997) als Berufskrankheit mit einer MdE von mindestens 60 % erlitten haben, werden die Freibeträge anders berechnet (§ 93 Absatz 2 SGB VI). In unserem Beispielfall hier soll das nicht zutreffen.
Besteht nun eigentlich ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 1.000 EUR, sieht die Rechnung wie folgt aus:
Der Grenzbetrag liegt bei 70 % eines Zwölftels des Jahresarbeitsverdienstes, multipliziert mit dem Rentenartfaktor. In diesem Fall sind das 70 % von 2.500 EUR * 1,0 (Rentenartfaktor für Renten wegen voller Erwerbsminderung; bei teilweiser Erwerbsminderung beträgt der RAF 0,5) = 1.750 EUR. Die gesetzliche, bereinigte Verletztenrente (843 EUR) und die Erwerbsminderungsrente (1.000 EUR) ergeben einen Gesamtbetrag von 1.843 EUR. Der Grenzbetrag liegt, wie zuvor berechnet, bei 1.750 EUR, so dass er um 93 EUR überschritten wird. Da die gesetzliche Verletztenrente immer in voller Höhe ausgezahlt wird, kommt es zu einer Kürzung der Erwerbsminderungsrente um 93 EUR. Demnach wird nur noch eine Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 907 EUR gezahlt.
Wird eine private Unfallrente bei der Erwerbsminderungsrente angerechnet?
Rentenzahlungen einer privaten Unfallversicherung werden nicht auf eine Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet.
Erwerbsunfähigkeitsrente
Die Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente) der gesetzlichen Rentenversicherung wurde im Rahmen der Rentenreform zum 31.12.2000 abgeschafft und mit dem 01.01.2001 durch den Begriff Erwerbsminderungsrente, kurz EM Rente, mit neuen gesetzlichen Regelungen ersetzt. Wer noch eine Erwerbsunfähigkeitsrente nach altem Recht bezieht, erhält diese auch weiterhin, solange die Voraussetzungen dafür gegeben sind.