Die Berufsgenossenschaften (BG) haben den gesetzlichen Auftrag, Arbeitsunfälle sowie Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten. Nach Eintritt eines Versicherungsfalles entschädigen sie die Versicherten oder deren Hinterbliebene. Die neun gewerblichen Berufsgenossenschaften (gegliedert nach Wirtschaftszweigen) sind zuständige gesetzliche Unfallversicherungsträger für die gewerbliche Wirtschaft. Die Berufsgenossenschaft der Landwirtschaft ist Teil der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG).
Nicht immer sind Heilbehandlung und Reha-Maßnahmen so erfolgreich, dass die Versicherten wieder uneingeschränkt am Erwerbsleben teilnehmen können. In solchen Fällen zahlen die Berufsgenossenschaften eine Rente an Versicherte (Leistungsart 14) und gegebenenfalls auch an Hinterbliebene.
Video: Kurz erklärt: Die gesetzliche Unfallversicherung.
Von der Entgeltfortzahlung über das Verletztengeld zur BG Rente
Nach einem eingetretenen Versicherungsfall erhält der Geschädigte von der Berufsgenossenschaft nicht sofort eine Rente. Liegt eine Arbeitsunfähigkeit vor, springt bei Arbeitnehmern in der Regel als Erstes für 6 Wochen die gesetzliche Lohn- oder Gehaltsfortzahlung (Entgeltfortzahlung) durch den Arbeitgeber ein.
Wenn der Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung leistet (oder diese ausgelaufen ist) und weiter Arbeitsunfähigkeit besteht oder eine ganztägige Erwerbstätigkeit wegen einer Heilbehandlung nicht ausgeübt werden kann, zahlt die BG eine Entgeltersatzleistung in Form von Verletztengeld, das 80 % des Regelentgelts entspricht, aber nicht höher als das regelmäßige Nettoarbeitsentgelt sein darf. Abgezogen davon werden dann noch die Beitragsanteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung. Die Zahlungen enden mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit bzw. mit dem Beginn der Zahlung von Übergangsgeld: grundsätzlich spätestens mit Ablauf der 78. Woche - jedoch nicht vor Ende der stationären Behandlung.
Bleibt eine andauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von wenigstens 20 % durch einen Arbeitsunfall, einen Wegeunfall oder eine Berufskrankheit - die noch 26 Wochen nach dem Versicherungsfall besteht - zurück, so wird die BG Versichertenrente geleistet. Eine Ausnahme gilt bei Versicherungsfällen ab dem 1. Januar 2008 bei landwirtschaftlichen Unternehmern und ihren im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, sowie nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige. Hier ist eine MdE von wenigstens 30 % Voraussetzung für einen Rentenanspruch. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle zusammengerechnet um mindestens 20 bzw. 30 % gemindert, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Berücksichtigt werden die Folgen eines Versicherungsfalls aber nur, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 % mindern.
BG Versichertenrente und Verletztengeld können bei mehreren, parallel ausgeübten Beschäftigungen gleichzeitig bezogen werden, wenn in der einen die Arbeitsunfähigkeit endet und in der anderen weiterhin besteht (Bundessozialgericht, Urteil vom 23.07.2015, AZ: B 2 U 6/14 R). Die Berufskrankheits- bzw. Verletztenrente beginnt mit dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet. Das ist:
- der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit oder
- der letzte Tag der Heilbehandlung oder
- der Tag vor Beginn des Übergangsgeldes. Das heißt, dass BG Versichertenrente und Übergangsgeld gleichzeitig zustehen können;
Ansonsten beginnt die Versichertenrente mit dem Tag nach dem Versicherungsfall, wenn kein Verletztengeld zusteht.
Übrigens: Die Berufsgenossenschaft zahlt, z.B. aufgrund von Rechtsstreitigkeiten oder nach Klärung des Sachverhalts, auch rückwirkend mit 4 % Zinsen nach (§ 44 Abs. 1 SGB I).
Berechnung: Die Höhe der BG Versichertenrente
Wie hoch die Rente der Berufsgenossenschaft ausfällt, hängt davon ab, wie stark die Erwerbsfähigkeit gemindert ist:
Bei vollständigem Verlust der Erwerbsfähigkeit (100 % MdE) wird eine Vollrente gezahlt. Diese beträgt 2/3 des vor dem Versicherungsfall erzielten Jahresarbeitsverdienstes (JAV). Bei freiwillig Versicherten der Berufsgenossenschaft wird die gewählte Versicherungssumme anstelle des JAVs herangezogen.
Ist der Versicherte allerdings nur teilweise in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert, so erhält er auch nur eine Teilrente. Dabei wird der Teil der Vollrente gezahlt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.
Für die Berechnung der BG Rente gibt es auch eine Obergrenze: der Höchst-JAV beträgt maximal das Zweifache der im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgebenden Bezugsgröße. Zudem gibt es auch einen Kinder- und Mindest-JAV (je nach Alter 25 bis 60 % der Bezugsgröße).
Hier finden Sie eine Beispielberechnung für die Höhe der Rente.
Erhöhung und jährliche Anpassung
Für Schwerverletzte (MdE 50 % oder mehr) erfolgt eine Erhöhung der BG Versichertenrente um 10 %, wenn infolge des Versicherungsfalls keine Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt werden kann und keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsversicherung bezogen wird.
Eine Rentenerhöhung entsprechend dem Prozentsatz, um den sich die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung ohne Belastungsveränderungen (Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeitrag) verändert haben (§ 95 SGB VII), erfolgt am 01.07. jeden Jahres durch Rechtsverordnung.
Sozialabgaben
Von BG Renten werden keine Sozialabgaben / -versicherungsbeiträge, zum Beispiel zur gesetzlichen Rentenversicherung oder der gesetzlichen Krankenversicherung, abgezogen, sie sind also nicht "sozialversicherungspflichtig". Jedoch werden sie bei der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung als beitragspflichtiges Einkommen grundsätzlich mit berücksichtigt.
Arbeiten und dazuverdienen
Für die Höhe der BG Versichertenrente unschädlich ist, ob weiterhin gearbeitet wird, in welchem Ausmaß (Zeit) und wie viel Geld man dabei verdient. Egal wie hoch es ist, Einkommen wird also ohne eine Grenze nicht angerechnet: Wer weiter voll arbeiten kann, erhält die Berufskrankheits- bzw. Verletztenrente der Berufsgenossenschaft unabhängig vom Hinzuverdienst on top! Bei Witwen- und Witwerrenten der BG findet jedoch eine Einkommensanrechnung (§§ 18a bis 18e SGB IV) statt (§ 65 Absatz 3 SGB VII).
Dauer der Rente: Wie lange zahlt die Berufsgenossenschaft?
Wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann, wird die BG die Rente die ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall als vorläufige Entschädigung festsetzen. Während dieser Zeit kann die MdE jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Ist die unbefristete Rente erstmal festgestellt, so kann diese zuungunsten des Versicherten nur nach Ablauf eines Jahres geändert (oder auch entzogen) werden.
Die BG Rentenzahlung endet / wird gestrichen, wenn eine Besserung nachweisbar ist und die MdE auf unter 20 % sinkt und keine weitere MdE aufgrund eines weiteren Versicherungsfalles vorhanden ist (sogenannte Stütz-MdE). Ansonsten wird sie lebenslang, für immer geleistet. Nach dem Tod kann an Hinterbliebene (Waisen sowie Witwen und Witwer) eine BG Rente gezahlt werden, wenn der Tod auf die Folgen des Unfalls oder der Berufskrankheit zurückzuführen ist.
Verschlechterungs- / Verschlimmerungsantrag
Eine neue Einstufung bezüglich der Minderung der Erwerbsfähigkeit und damit Rentenerhöhung ist nach ärztlicher Begutachtung möglich. Bei der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 % beträgt; bei Renten auf unbestimmte Zeit muss die Veränderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit länger als drei Monate andauern. Die Rente in neuer Höhe wird dann nach Ablauf des Monats geleistet, in dem die Änderung wirksam geworden ist.
BG Rente Auszahlung vs. Abfindung
Anstelle der monatlichen Zahlung der Rente durch die Berufsgenossenschaft kann ganz oder teilweise eine einmalige Auszahlung treten (Abfindung). Das Kapitalisieren hat keinen Einfluss auf andere Leistungen wie zum Beispiel ärztliche Behandlung, Leistungen zur Teilhabe oder Pflege. Diese werden weiterhin erbracht, wenn sie wegen der Folgen des Versicherungsfalls erforderlich sind.
Rente der Berufsgenossenschaft steuerfrei?
Die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung – und damit auch die Renten der Berufsgenossenschaft - sind nach § 3 Nr. 1 a Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei. Das gilt auch für eine Abfindung.
Beantragung der BG Rente
Wegen der Rente bedarf es keines Antrags bei der Berufsgenossenschaft, da die BG auf der Grundlage der Unfallanzeige "von Amts wegen" tätig werden muss. Eine Antragsstellung kann aber ab und zu sinnvoll sein, zum Beispiel bei einer Verschlimmerung von Unfallfolgen. Schließlich muss die Berufsgenossenschaft als Unfallversicherungsträger zumindest davon erfahren, damit er tätig werden kann. Mitunter muss ein ärztliches Gutachten eingeholt werden und der Grad der MdE festgestellt werden.